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2. Präsentationsabend der AvM

Der erfolgreiche Präsentationsabend ging am 15. Juni in die zweite Runde

Zahra ist Flüchtling. Ein seltsamer Status. Vor 1,5 Jahren kam sie aus Afghanistan nach Deutschland. Eine Heimat zu verlassen ist nicht einfach. Freunde, Familie, die Schule, das Haus, die Nachbarn, eine erste Liebe nicht mehr wieder zu sehen, ist noch schwerer. Wie fühlt man sich, wenn man als ‚Flüchtling’ nach Deutschland kommt? ‚Migrantin’, das klingt besser. Es ist alles anders als zu Hause. Aber das Zuhause von früher gibt es nicht mehr. Und es muss weiter gehen. Weil man die deutsche Sprache noch nicht so gut beherrscht, denken die Leute oft, man sei weniger klug, man könne nicht so viel. Zahra besucht die AvM der BEA. Sie hat gerade ihr erstes Praktikum abgeschlossen und stellt zusammen mit der ganzen Klasse vor, wie es ihr  dabei ergangen ist. In welchem Betrieb fand dein Praktikum statt? Wie waren die Arbeitszeiten? Hast du Pausen machen können? Was waren deine Tätigkeiten? Womit hast du gearbeitet? Was hat dir besonders gefallen? Was fandst du weniger gut? Dies waren Fragen, auf die die Schülerinnen und Schüler der AvM in ihren Präsentationen Antworten geben sollten.

Zahra war zwei Monate lang bei einem Friseursalon. Stolz steht die junge Frau im schicken karierten Hemd vor dem Smartboard, auf dem ihre PowerPoint Präsentation läuft. „Besonders gut hat mir gefallen, dass ich viel Deutsch sprechen musste“, sagt sie, als ich frage, und lacht. „Am Anfang habe ich nicht so viel verstanden, aber dann habe ich viele neue Wörter und Sätze gelernt. Ich habe auch viel mit den Kunden gesprochen, und sie waren sehr nett zu mir.“ Solche Erfahrungen geben Auftrieb. Auch wenn viele Schülerinnen und Schüler in ihrer ehemaligen Heimat eine ganz andere Karriere vor Augen hatten. Sie geben Selbstvertrauen und machen Mut, weiterzumachen, auch wenn es oft schwierig ist. „Mein nächstes Praktikum möchte ich im Krankenhaus machen, als Krankenschwester“, sagt Zahrah und lächelt gewinnend.

Für Sascha aus der Ukraine war es das zweite Praktikum. Er hat auch dieses, wie schon das vorherige, in einem Fahrradladen gemacht, als Fahrradmechaniker. Auch in der Ukraine hat er schon Fahrräder repariert. Er kann das. Ich frage gleich nach, was man beim ausgeschlagenen Lenkkopf meines Fahrrads noch machen kann. „Das ist ganz einfach“, erklärt mir der 17 Jährige, „man braucht aber spezielles Werkzeug dafür, das man normalerweise nicht im Werkzeugkasten hat.“ Auch Sascha ist noch nicht allzu lange in Deutschland. „Als ich ankam, musste ich drei Monate auf meinen Schulplatz warten“, sagt er. „In der Zeit habe ich wie ein Verrückter Deutsch gelernt. Ich wollte nicht wie ein Idiot dastehen, wenn ich in die Schule komme. Ich hatte Angst, dass alle schon Deutsch können, nur ich nicht. Also habe ich jeden Tag nichts anderes gemacht, als Vokabeln zu lernen und Grammatik. Manchmal 10 Stunden am Tag.“ Ich ziehe bewundernd die Augenbrauen hoch. „Ich hatte ja nichts anderes zu tun“, sagt er, wie als Entschuldigung. Was er denn einmal werden möchte, frage ich ihn. Das weiß er noch nicht. Vielleicht Pilot, aber die Ausbildung ist so teuer, er glaubt nicht, dass er das hinbekommt. Aber wer weiß schon mit 17, was er denn wirklich einmal werden will?

Teodor weiß es. Sportfachmann. Er hat, auch zum zweiten Mal, sein Praktikum in einem Sportverein gemacht. Kinder Trainieren ist sein Ding. Engagiert erklärt er vor seiner Powerpoint, wie ein Trainigszyklus aussieht und führt die Übungen vor. Skipping, Kniehebelauf, Scherenlauf. „Aber man muss nicht nur die Übungen beherrschen. Man braucht auch viel Einfühlungsvermögen, um auf die Kinder und Jugendlichen einzugehen“, sagt er. Teodor, „ohne h“, betont er und lacht, hat sich schon informiert, wie die Ausbildung als Sportfachmann aussieht, und in welchen Betrieben er sie machen könnte. Auch mit dem zukünftigen Gehalt ist er zufrieden. „Da haben meine Augen geleuchtet“, sagt er, und das sieht man. Teodor strahlt. Aber nicht nur wegen des Geldes. Er strahlt, weil er über das Praktikum Anerkennung bekommen hat, weil er als jemand gesehen wurde, der wichtig ist, der einen Beitrag leistet, weil es nicht sein Status als „Migrant“ ist, der zählt, sondern er als Person mit dem, was er leistet.

Dies war bereits die zweite Präsentation von Praktika, die die AvM Klassen der BEA regelmäßig absolvieren. Diese Abendveranstaltungen enthalten so viel mehr als nur Präsentationen. Sie zeigen die Flexibilität der jungen Menschen, die Zuversicht und den Willen, sich eine neue Zukunft aufzubauen, die oft so ganz anders aussieht, als das, was sie sich einmal in einem anderen Leben vorgestellt hatten.

Kerstin Köntopf